Was ich als Erstsemester gern über Biochemie gewusst hätte (2024)

Studienfächer erklärt

In der Reihe »Studienfächer erklärt« stellen wir die beliebtesten Studienfächer in Deutschland vor. Wie viele Studierende an deutschen Hochschulen in welchem Fach eingeschrieben sind, ermittelt das Statistische Bundesamt einmal im Jahr. Unser Ranking bezieht sich auf die Zahlen für das Wintersemester 2019/2020.

Für die Fächer auf den ersten 30 Plätzen dieses Rankings gibt es jeweils ein Porträt – von Betriebswirtschaftslehre auf Platz 1 bis Wirtschaftsrecht auf Platz 30. Für die weiteren Porträts haben wir zusätzlich mit einbezogen, nach welchen Fächern besonders viele Menschen suchen. Weit oben stehen dann etwa Soziologie, Philosophie und Pharmazie. Grundlage ist hier eine Auswertung von Google für den Zeitraum 2021 bis September 2022.

Was passiert in menschlichen Zellen? Wie entstehen Erbkrankheiten? Und was braucht die Medizin, um Gentherapien zu entwickeln? Im Fach Biochemie geht es um die Chemie des Lebens – also um all die chemischen Prozesse, die sich in unserem Körper abspielen. Wer sich damit auskennt, kann etwa zur Medizin oder Pharmazie beitragen.

Niklas Pusinelli, 27, studiert im ersten Mastersemester Biochemie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Hier erklärt er, wie sich Biochemie von Biologie und Chemie unterscheidet, wie die Laborpraktika ablaufen und warum man gerade in den ersten Semestern nicht aufgeben sollte.

Die Entscheidung fürs Biochemie-Studium

»Eigentlich hätte ich nach dem Abitur gern Medizin studiert, aber das ließ mein Abischnitt nicht zu. Also absolvierte ich erst mal eine Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten. Bei der Arbeit im Krankenhaus wurde mir klar, dass mich der Arztberuf doch nicht reizte. Vielmehr wollte ich Vorgänge auf der kleinsten, auf der molekularen Ebene verstehen. So kam ich auf Biochemie.

Grob gesagt beschäftigt sich die Biologie mit allem, was mit Pflanzen und Tieren zu tun hat – sie schaut aber oft nicht so tief wie die Biochemie. Die Chemie wiederum hat auch mit anorganischen Vorgängen zu tun – die interessieren einen Biochemiker weniger. Die Biochemie bewegt sich also an einer Schnittstelle: Sie untersucht die Prozesse in lebenden Organismen, etwa den Stoffwechsel. Die Grenzen sind aber fließend, sie überschneidet sich auch mit anderen Fächern, etwa der Physik oder der Medizin.

An meiner Uni in Frankfurt wurden vor Studienbeginn Vorkurse in Chemie, Physik und Mathe angeboten, aber eigentlich kommt man ohne besondere Vorkenntnisse rein. Ich hatte in der Schule weder Bio noch Chemie im Leistungskurs, sondern Physik und Französisch. Im Studium hatte ich nicht den Eindruck, dass das ein Nachteil war. Aber ein Faible für Naturwissenschaften sollte man natürlich mitbringen.«

Formale Voraussetzungen für das Biochemie-Studium:

  • Biochemie kann man vor allem an Universitäten studieren. Verwandte Studiengänge wie Molekulare Biologie oder Molekulare Biotechnologie werden auch an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften gelehrt.

  • Die meisten Studiengänge in Biochemie sind zulassungsbeschränkt. In Göttingen etwa lag der Numerus Clausus (NC) in den vergangenen Jahren zwischen 1,8 und 3,2. Je nach Hochschule kann sich das Auswahlverfahren etwas unterscheiden: Mancherorts wird ein bestimmter Anteil der Plätze nach Wartezeit vergeben, anderswo muss ein Teil der Bewerber:innen ein Auswahlgespräch absolvieren.

  • An manchen Unis werden Vorkurse angeboten, etwa in Chemie oder Mathematik.

Was man noch mitbringen sollte: Lust darauf, Experimente durchzuführen –und diese in vielen Laborprotokollen festzuhalten. Denn im Laufe des Studiums verbringt man viel Zeit im Labor. Ohne Fremdsprachenkenntnisse geht es auch nicht, denn viele Studien und theoretische Texte sind auf Englisch verfasst.

Inhalt und Aufbau des Studiums

»In den ersten Semestern sind viele erst mal abgeschreckt. Die Einführungsveranstaltungen in Physik, Mathe oder anorganischer Chemie vermitteln zunächst die Grundlagen und können etwas trocken wirken. Da sollte man sich durchbeißen. Wenn jemand etwa keine Freude an klassischer Physik hat, heißt das noch lange nicht, dass ihm auch Biochemie keinen Spaß macht. Und die Tutorien helfen immerhin, das Ganze zu verstehen.

Die Grundlagen braucht man in den höheren Semestern. Denn viele weitere Kurse bauen auf dem Wissen auf, das man sich in den ersten Semestern aneignet. Zum Beispiel sind die Kenntnisse aus der organischen Chemie nötig, um Stoffwechselwege besser zu verstehen. Es lohnt sich also doppelt, sich am Anfang durchzukämpfen und am Ball zu bleiben.

Ein Biochemie-Modul wurde an meiner Uni auch schon gleich zu Beginn angeboten: Molekularbiologie. Darin werden die ersten Grundlagen von DNA und Proteinen vermittelt. Quasi als Leckerbissen, damit man bei der Stange bleibt.

Typische Pflichtmodule: Grundlagen in Allgemeiner und Anorganischer Chemie, Mathematik, Physik, Molekularbiologie und Zellbiologie

Je nach Hochschule gibt es weitere Module, etwa: Einführung in die Biotechnologie, Genetik, Pflanzen- und Tierphysiologie, Bioinformatik

Auf einen meist sechssemestrigen Bachelor folgt in der Regel ein aufbauender (konsekutiver ) Master. Darin kann man sich auch in angrenzenden Wissenschaften weiter spezialisieren, etwa in der Arzneimittelforschung.

In jedem Semester absolviert man ein begleitendes Laborpraktikum. Im biologischen Praktikum untersuchten wir Pflanzen und Tierpräparate unter dem Mikroskop, im physikalischen bauten wir Schaltkreise, um ein grundlegendes physikalisches Verständnis zu entwickeln. Richtig interessant wird es in den weiterführenden Praktika in den höheren Semestern, etwa in Molekularbiologie. Da steht man dann auch mit Kittel im Labor. Das absolute Handwerk eines Biochemikers ist es, Proteine reinigen und charakterisieren zu können, das lernt man in zellulärer Biochemie.

Mit der Bachelorarbeit betreibt man dann aktuelle Forschung – die echt komplex sein kann. Auch ich verstehe teilweise nicht auf Anhieb, was meine Kommiliton:innen in ihrer Abschlussarbeit gemacht haben.

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Insgesamt folgt der Studienaufbau in Biochemie einem recht festen Ablauf, da gibt es wenig zu rütteln. Das heißt aber auch: Man bleibt mit vielen Kommiliton:innen bis zur Bachelorarbeit zusammen. Man sollte sich also am besten gleich im ersten Semester einen Freundeskreis suchen. Außerdem ist es unglaublich viel wert, wenn man sich gegenseitig helfen kann. Biochemie ist kein Fach, das man so nebenher studiert. Da hilft es, zusammen für Klausuren zu lernen.«

Berufsaussichten nach dem Studium

»Die Perspektiven für Biochemiker:innen sind gut, wie in anderen MINT-Fächern auch. Nach dem Studium kann man zum Beispiel in der Chemie- oder Pharmaindustrie und in medizinischen Bereichen arbeiten. Dann kommt es nicht nur auf das Know-how aus dem Studium an, sondern auch auf die Frustrationstoleranz, die man währenddessen entwickelt hat. Etwa, wenn manche Experimente einfach nicht funktionieren wollen. Wenn man damit umgehen kann, ist das im Beruf sicher nützlich.

Viele wählen nach dem Master den klassischen Weg und promovieren. So spezialisieren sie sich weiter auf ein engeres Gebiet. An Unis, an privaten Forschungseinrichtungen oder für Medizin- und Pharmaunternehmen erforschen sie etwa Krankheiten oder testen die Verträglichkeit von Medikamenten. Ich kann mir das auch vorstellen. Wenn ich einen Platz finde mit einem Thema, an dem ich drei bis sechs Jahre intensiv arbeiten will, dann werde ich diesen Weg einschlagen. Eine Karriere in der Medizin kommt für mich jedenfalls nicht mehr infrage.«

Branchen und Gehälter:

Absolvent:innen mit einem naturwissenschaftlichen Abschluss verdienen laut Stepstone-Gehaltsreport durchschnittlich 46.900 Euro brutto im Jahr. Wobei das Einstiegsgehalt je nach Branche schwankt: In Wissenschaft und Forschung sind durchschnittlich 44.900 Euro drin, in der Pharmaindustrie etwa 50.200 Euro.

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